Dinslaken besiegt, aber Pandemie noch nicht

Beim Durchblättern von alten Zeitungsausschnitten der letzten 60 Jahre, die mir unser Alt-Mitglied Wolfgang Thieme netterweise zur Verfügung stellte, gewann ich den Eindruck, dass das Los eines Mannschaftsführers der Schachgemeinschaft Nettetal oder seiner Vorgängervereine kein einfaches war.  8 Leute ans Brett zu bringen war nicht immer leicht. Und nun kam seit zwei Jahren noch die Pandemie hinzu. Unsere letzte Saison wurde abgebrochen., die laufende eher schlecht als recht begonnen.  Die Meinungen  und das jeweilige persönliche Sicherheitsgefühl und -bedürfnis gehen auseinander. Manch einer möchte nur spielen, wenn alle eine Maske tragen, mancher kann mit Maske gar nicht spielen.
Unseren ersten Kampf der Saison mussten wir gegen Wedau komplett absagen und verloren 0:8 kampflos. In der zweiten Runde bekammen wir 4 Spieler ans Brett und verloren natürlich chancenlos 2:6 gegen Oberbilk. Die Wettkämpfe danach wurden alle verlegt. Bis Sonntag. Dann waren die Schachfreunde von Dinslaken 3 zu Gast und – oh Wunder – wir hatten 8 Spieler am Start! Es hätten aber auch nur 7 sein können. Dank der Fairness unseres Gegners (danke dafür!) wurde einem unserer Spieler, der beruflichen Notdienst hatte, erlaubt, sein Mobiltelefon angeschaltet zu lassen.

Nach so langer Zeit ohne „richtige“ Partien war ich gespannt, was die Jungs noch so drauf hatten und wurde am Ende nicht enttäuscht. Karsten Wiemes machte nach 2,5 Stunden den Anfang und brachte einen Freibauern ins Ziel. Es folgte Frans Mertens mit einem sauberen positionellen Vortrag und einem klar herausgespielten Sieg. Mehr davon Frans bitte! Malte Thodam stand lange Zeit sehr gut, hatte dann plötzlich eine Qualität weniger, aber zum Glück noch ausreichendes taktisches Gegenspiel, um ins Remis abzuwickeln. In meiner eigenen Partie half mir mein Gegner am Ende sehr, als er nicht in ein Damenendspiel abwickelte (das noch sehr lang gedauert hätte), sondern in eine Mattfalle lief. Den Sieg für Nettetal machte Hubert Gorißen perfekt, der in einer Stonewall-artigen Stellung seinen Gegner Matt setzte. Danach machte er sich sofort per Fahrrad auf den Heimweg. Normalerweise nicht erwähnenswert, allerdings wohnt Hubert in Köln. Respekt!

Gingen alle diese Partien relativ rasch zu Ende, hieß es bei den noch laufenden 3 Partien warten. Christian Wassermann musste fast die ganze Partie immer wieder Löcher flicken und eine schlechte Stellung verwalten. Am Ende drang sein Gegner im Endspiel mit dem König in Christians Stellung ein und wir mussten die einzige Niederlage an diesem Tag quittieren. Ganz heiß ging es auf dem Brett von Marcus Faahsen zu. Marcus stand besser, hatte einen Freibauern auf der a-Linie, aber dann drückte sein Gegner plötzlich mit allen Figuren auf dem Königsflügel und opferte. Die Schach-Engines verteidigen so etwas kaltblütig, aber der Mensch fängt plötzlich an zu zweifeln. War die eigene Berechnung gut genug, oder habe ich doch etwas übersehen? Nach langem Kampf wickelte Marcus richtig ab und fuhr einen hochverdienten Punkt in einer spannenden Partie ein. Blieb Roland van Vliembergen, unser Spitzenbrett. Roland und sein Gegner nutzen wirklich die Maximalspielzeit und am Ende gelang es ihm, kaltblütig die Nerven zu behalten und den Sieg zum 6,5:1,5 einzufahren.

Fazit: Es tat gut, mal wieder in voller Mannschaftsstärke zu spielen, überhaupt zu spielen. In den Zeitungsberichten aus der Historie der SGM wurde immer wieder von „breiter Kameradschaft“ als Schlüssel zum Erfolg gesprochen. Nach zwei Jahren Pandemie merkt man, wie sehr man die anderen vermisst hat. Und ich vermisse natürlich auch die Spieler, die aufgrund von Bedenken noch nicht spielen wollen. Ich habe Verständnis für die Beweggründe. Wenn ihr dann hoffentlich bald wieder am Brett seid, dann haben wir nicht nur Dinslaken, dann haben wir die Pandemie besiegt.

Jürgen Daniel